Ausstellung RICHARD JOCHUM “The Grass Is Always Greener On The Other Side” im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis, Bregenz vom 12. März – 25. April 2011
Eröffnung: 11. März 2011 um 20 Uhr
Der in New York lebende, Vorarlberger Bildhauer und Medienkünstler Richard Jochum zeigt in der Zeit vom 12. März bis 25. April im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis in Bregenz auf 2 Stockwerken neue bzw. neuere Arbeiten aus dem Bereich Video, Fotographie und Installation. Die Ausstellung unter dem Titel “The Grass Is Always Greener On The Other Side” präsentiert einige der Arbeiten zum ersten Mal in Europa.
Trotz seines oft kurzangebundenen, minimalistischen und konzeptuellen Stils, sind Richard Jochum’s Werke oft emotional geladen und verfügen ueber einen unterschwelligen Sinn für Humor entweder in der ästhetischen Form oder der gewählten Thematik. Als Medienkünstler, der sich keinem besonderen Medium verschrieben hat, sondern immer neue Ausdrucksmittel sucht, um bestimmte Ideen darzustellen, zeigt er in der Ausstellung eine unterschiedliche Anzahl von Medien, die Papierarbeiten genauso umfassen, wie Performance, Lichtarbeiten, oder Bioart.
Der Titel der Ausstellung “The Grass Is Always Greener On The Other Side” versteht sich als Statement (das deutschsprachige Pendant wäre, “die Kirschen aus Nachbars Garten schmecken immer besser”) - und verweist laut Künstler auf eine Funktion der Kunst: Uns mit jenen Themen in Verbindung zu konfrontieren, die wir im Alltag gerne abspalten, weglegen oder für Tabu erklären, sei es die Gefühle der Trauer (wie in Mama/Papa), der Aggression (wie im Stück “Zwanzig Zornige Hunde” bzw. unsere Farbenblindheit für Wesentliches, die sich in unserer Tendenz zeigt, die schönen Dinge immer irgendwo anders zu vermuten als dort, wo wir bereits sind.
Unter den gezeigten Werken ist auch die im vorigen Jahr fuer Südkorea entwickelte Sound- und Videoinstallation “Zwanzig Zornige Hunde” zu sehen, eine Installation in der ein Dutzend Menschen einzeln bzw. in einer zweiten Arbeit als Gruppe in die Kamera bellen. In der Vorbereitung fuer das Projekt hat Jochum 36 Leute beim zornigen Bellen gefilmt, ein Drittel davon ausgewählt und auf Eisenständern und Flachbildschirmen im Kreis aufgestellt, die in der Folge das Publikum umzingeln. – Für die nun zweite Realisierung der Installation hat sich Jochum für ein Arrangement mit Fernsehern entschieden, die wie ein Rudel Wachhunde im Erdgeschoss des Künstlerhauses plaziert, das Publikum anbellen. Zwanzig Zornige Hunde ist eine Konfrontation mit dem machtvollen, aggressiven Potential, das in uns steckt, das wir oft tief vergraben und nur selten zeigen, und das, wiewohl Animalisch, ein Teil von uns ist.
Die unter dem Titel “Mama” und “Papa” im Obergeschoss plazierte, zweiteilige Video- und Soundinstallation, in der erwachsene “Kinder” nach ihren Eltern rufen, soll zum Nachdenken über das Verhältnis zu unseren Eltern anregen. Die Arbeit, zuletzt unter grossem Aufsehen in der Passagegalerie des Wiener Künstlerhauses gezeigt, beschäftigt sich mit der besonderen Beziehung zwischen einem Sohn und seiner Mutter, zwischen einer Tochter und ihrem Vater. So wie in Beckett’s Warten auf Godot, bleiben auch in den beiden geloopten Kurzfilmen die Hauptdarsteller - Mama bzw. Papa - abwesend. Die Videos zeigen das mit unterschiedlichen Färbungen ausgedrückte Rufen nach den Eltern, die nicht kommen. Die Mutter taucht nicht auf, der Vater bleibt abwesend. Die karge Installation in einem der beiden Räume des Obergeschosses – mit 2 gegenüberliegenden Monitoren auf dem Boden – unterstreicht die Abwesenheit. “Es geht um unser Verhältnis zu unseren Eltern. Das ist ein ganz großer Teil in unserem Leben. Das geht nie weg und begleitet uns auch noch im Alter”, erklärt Jochum und erinnert an die Tatsache, dass viele Menschen noch auf dem Sterbebett nach ihrer Mutter rufen. –
2008 für ein Videofestival konzipiert, reicht die Entstehung der Mama/Papa Installation in eine Zeit zurück, als der vor kurzem verstorbene Vater des Künstlers 60 Jahre alt wurde: In einem umfangreichen Textbuch unter dem Titel “Vater Unser” stellte Jochum damals ein Buch zusammen, das auf zwar dadaistische, jedoch sprachlich elaborierte Weise sein Verhältnis zu seinem Vater zum Ausdruck brachte. Vergleichbares schien ihm für seine Mutter unmöglich. Damals verstand der Künstler, dass die Beziehung zwischen einer Mutter und einem Sohn auf etwas anderem als auf der Sprache basiert und eher durch Zurufen als durch Texte oder Abhandlungen ausgedrückt werden könne. –
In der Videogalerie des Obergeschosses, sowie im Zugangsbereich, zeigt Jochum eine Arbeit, die als Variation bis Ende März auch in Wien bzw. der Ausstellung “Alpine Desire” im Österreichischen Kulturforum in New York bis Anfang Mai zu sehen ist: “Atlas”. Atlas ist eine 2008 übrigens im heimischen Klostertal begonnene Werkserie von Richard Jochum, in der der Künstler Kopfstände auf Berspitzen und Grosstadtdächern abfilmt und auf den Kopf stellt und damit visuell zu “Atlas”, dem Träger der Welt, wird. Die der griechischen Mythologie entnommene Figur “Atlas” schliesst an seine Arbeit “Sisyphus auf Urlaub” an, die Jochum 2006 in der Silvretta begonnen und 2007 in Vorarlberg ausgestellt hat. Die Arbeit “Atlas Goes Superman” (Atlas als Superman) verbinden den griechischen Heldenmythos und den amerikanischen Superhelden “Superman” miteinander und wird als Video- und Soundinstallation gezeigt. Atlas wird hier zu Superman, der vor der Kulisse der Akropolis den Planeten vor sich herschiebt.
Die im Obergeschoss im zweiten Raum gezeigte Arbeit “PaperSeries” geht auf Jochum’s konzeptuellen Hintergrund mit dem Thema “Buch” zurück, ein Thema das er in den 90er Jahren angefangen hat. Die im Künstlerhaus ausgestellten Papierarbeiten (zuletzt in der Galerie Lindner in Wien bzw. in Appenzell im Tanzsaal des Unteren Herrenhauses gezeigt) verstehen sich als eine Wiederaufnahme seines Dialogs mit dem Papier als jenem Material, das das Selbstverständnis des Künstlers von Anfang an geprägt hat. Im Gegensatz zu den Buch-Objekten verzichtet Jochum hier allerdings auf das Mittel der Sprache und führt die Arbeit als eine als eine visuelle Fragestellung vor: Was passiert, wenn wir ein Stück Papier, das zerknittert wurde, wieder glatt streichen? Nichts. Denn das zerknitterte Papier, ein Eselsohr zum Beispiel, wird selbst durch Bügeln nicht mehr glatt und kann in den Zustand der Herstellung, frisch gewalzt und zweidimensional, nicht mehr zurück. Die Falte zeichnet sich als Spur und als Erweiterung ab, die das Zugestoßene speichert und dem Papier eine dritte Dimension, d.h. Räumlichkeit verleiht. Die Räumlichkeit ist allerdings im Falle des Prints Camouflage, denn das Papier wurde in derZwischenzeit mit einer Großformat- kamera fotographiert und als Digitaldruck mit archivierbaren Materialien reproduziert. Das spielerische Hin- und Her zwischen Zweidimensionalität und Räumlichkeit widerspiegelt das Verwischen der Grenzen von Photographie und Skulptur, zwischen der Geschichte als Zustand und der Erinnerung an das Geschehene.
“Kollaboratives Besteck” ist eine Installation mit 1 Tisch, 2 Stuehlen, 2 Tellern, 2 Performern, und einmetrigem Besteck, das allerdings nur dann sinnvoll verwendet werden kann, wenn sich die beiden Hungrigen der Möglichkeit entsinnen, sich gegenseitig zu füttern. Das als Gleichnis gedachte Performancestück reflektiert nicht nur das spielerische Element, das in Jochum’s Arbeit eine Rolle spielt, sondern auch sein lebendiges Interesse an einem Dialog mit dem Publikum, das in seiner Arbeit mehr als nur eine zuschauende Funktion übernimmt.
Die Ausstellung im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis ist bis 25. April 2011 zu sehen und wird am 11. März um 20h00 mit der Performance “Kollaboratives Besteck” eröffnet, die als Installation und Dokumentation in der Ausstellung verbleibt.
Richard Jochum wurde 1967 in Vorarlberg geboren, studierte Philosophie, Bildhauerei und Medienkunst an der Universität für Angewandte Kunst und ist seit 2004 als Gastdozent an der Columbia Universität in New York tätig. Als Kuenstler ist er in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland vertreten, zuletzt in der Gallery Bundo in Südkorea, 2010. Seit 2009 ist entlang der Arlbergbahn seine Kunst im öffentlichen Raum Projekt “Der Kaiser lässt grüssen” zu sehen, eine Lichtinstallation mit 30 Leuchtkästen als Daumenkino, in dem ein nachgestellter Kaiser Franz Josef die Vorbeifahrenden mit einem gezückten Hut grüsst. –
Weitere Ausstellungen:
Einzelausstellung “Unvorhergesehener Gesichtsschwund” Kinogalerie, Künstlerhaus,
1. Februar – 31. März 2011
Gruppenausstellung “Alpine Deisre”, Österreichisches Kulturforum, New York,
26. Januar – 8. Mai 2011
Gruppenausstellung “The Decelerator”, New York, Berlin, Budapest,
18. März – 2. April 2011